Helena Berg-Dogow

Über „unangemessene Formen“

Notizen zum Politischen der Alltagskultur

„Was wir wissen ist: die fragmentarische Form verweist auf eine brüchige Problematik. Ausgangspunkt ist Alltagskultur, wir stehen vor der Frage nach dem Unbehagen auf mancher eigentlich so ausgelassenen Party. Weiter: welcher Logik folgt diese Ausgelassenheit, die vermeintliche Enthemmung? Wie ist es um den Spaß bestellt; unter welchen Umständen wird er produziert, was verleiht ihm seine Form?“1

Zum Entstehungskontext eines Zine-Projekts

Im Vorfeld einer exklusiv konzipierten FrauenLesbenTrans-Party überschlugen sich die Ressentiments in überraschender Art und Weise. Der Vorwurf einer Unangemessenheit der Form spielte sich hier auf mehreren Ebenen ab: Die Unangemessenheit der Form Party für politische Inhalte wurde ebenso hochgehalten wie eine angebliche Notwendigkeit der Trennung von Form und Inhalt. Diese sollte wie folgt aussehen: gegen den Zwang zum politischen Inhalt, wenn man doch schließlich nur Spaß haben wolle. Desweiteren wurde die sprachliche Form des Ankündigungstextes als unangemessen empfunden und vehement kritisiert. Die Kritik an der Sprache bezog sich dabei in erster Linie darauf, dass die Formulierungen zu kompliziert seien und die vorgebliche Komplexität überzogen; und dass sich die Person, die dies verfasst habe, dahinter wohl verstecken wolle.

Auf selbstverständliche Art und Weise waren hiermit antifeministische Ansätze verknüpft. Unserer Einschätzung nach geht es hier um folgende Fragen: Wie kommt es, dass gerade einer eindeutig als feministisches Projekt eingeordneten Textveröffentlichung vorgeworfen wird, unberechtigterweise kompliziert zu sein? Weshalb wird die Thematisierung der Form (hier: Party) als unnötig und gerade nicht politisch und inhaltlich verstanden?

Möglicherweise ist die Entpolitisierung des als reine Formalität Verstandenen geradezu ein wichtiger Teil des antifeministischen Ressentiments. In prägnanter Weise begegnete uns diese Ansicht oft im Zusammenhang mit Sprachformen: Etwa muten daraus jegliche Diskussionen über Redeverhalten als unsinnig an und werden als bedeutungslos für die inhaltliche Arbeit verkannt. Die eigenen sprachlichen Erzeugnisse und Reaktionen erscheinen den Sprechenden gegenüber bereits in verdinglichter Gestalt; das – männlich konnotierte – Autorsubjekt steht dem Textobjekt scheinbar äußerlich gegenüber. Emotional codierte Aspekte, „Befindlichkeiten“, werden in diesem Kontext lästig.

Wie kommt es, dass gerade einer eindeutig als feministisches Projekt eingeordneten Textveröffentlichung vorgeworfen wird, unberechtigterweise kompliziert zu sein?

Ein für uns wichtiger Aspekt ist also, wie ästhetische Formen innerhalb der Alltagskultur entpolitisiert werden. Hier ist einer der Auslöser zu suchen für das Projekt eines Zines, das den Namen Zine nur aufgrund der Fragmenthaftigkeit verdient, weil wir durch bewusstes Wählen und Brechen von Form eben jene kritisch thematisieren wollen. Das obige Partybeispiel stellt sich als eine recht bezeichnende Ausformung einer Leerstelle dar; innerhalb der linken Kritik wurde offensichtlich bisher sehr wenig Instrumentarium erarbeitet, um über Alltagskultur zu reflektieren und zu möglichen Analysen anzusetzen. Das Zine erscheint uns somit für diesen Kontext als eine geeignete Form, um einen Beitrag zu leisten.

Es geht an dieser Stelle nicht um die Werbung oder die Aufforderung zur Verbreitung eines Schriftstückes, denn es gibt ja das Endprodukt noch nicht. Im Folgenden geht es vielmehr um die darum kreisenden Überlegungen, welche zur Projektidee beitrugen und beitragen.

Kommunikationsformen

Obwohl spätestens seit Beginn der wissenschaftlichen Verhandlung des sogenannten Kommunikationsproblems in den 1960er und siebziger Jahren die „Formfrage“ im Hinblick auf gesellschaftliche und ästhetische Kommunikation auf den Plan tritt, dominiert ein kategorial eindimensionaler Begriff der kommunikativen Form. Mit dem Einzug interaktionistischer Theorieansätze in die Sozial- und Kulturwissenschaften etablierte sich hier in weiten Teilen ein Kommunikationsbegriff, für den etwa Jürgen Habermas’ opus magnum Theorie des kommunikativen Handelns exemplarisch steht: demnach ist in der Sprache die Möglichkeit „herrschaftsfreier Kommunikation“ angelegt, da bereits ihre Grundstruktur die Entfaltung von Mündigkeit in sich berge. Heute, wo jene Auffassung sich etwa in vielen vom linguistic turn geprägten Denkrichtungen auffinden lässt, lohnt es sich, die Kritik der ästhetischen Kommunikation näher zu betrachten, wie sie Adorno in den sechziger Jahren vertreten hat.

Adornos „Generalverdacht gegen Kommunikation“2 muss mitunter vor dem Hintergrund seines sich wandelnden Kulturbegriffs infolge der Geschichtserfahrung des Nationalsozialismus gefasst werden. Die Kritische Theorie der postnazistischen Gesellschaft geht im Kern von einer politischen Totalisierung des ökonomischen Systems aus, innerhalb dessen Grenzen die Kultur als recht eigenständige Sphäre in den Blick gerät. Den Ausgangspunkt der Kulturindustrieanalysen in der Dialektik der Aufklärung stellen jene medial vermittelten Reproduktionstechnologien, die seit der Etablierung eines Vergnügungsbetriebs im Europa des späten 19. Jahrhunderts der gesellschaftlichen Unterhaltung dienen. Die Erfahrung der Entwicklung von Massenkultur in den 1930er und vierziger Jahren in Deutschland, vor allem aber auch des kommerziellen Mediensystems in den USA, waren entscheidende Pfeiler für die Analysen Horkheimers und Adornos, in denen medien- sowie gesellschaftskritische Elemente durchweg miteinander verbunden sind. Kultur gewinnt, massenmedial verwaltet zum Medium politischer Herrschaft geronnen, einen bewusstseinsformenden Charakter, der gerade auch durch Sprache und Kommunikation gestaltet wird und somit einen Ausdruck erhält.

Adorno bettet seine scharfe Kritik an der kommunikativen Sprache der Kulturindustrie in eine umfassendere Kritik des Werts ein; danach sind nicht nur kulturindustrielle Veräußerungen, sondern die gesellschaftliche Kommunikation im Ganzen durch den Tauschwert vermittelt. Die mit jenem Warenfetisch verbundene „Anpassung des Geistes an das Nützliche“3 lasse Sprache zunehmend fungibel werden und menschliche Beziehungen zu Tauschobjekten herabsinken. Der leere Ausdruck der phrasenhaften Begrifflichkeit trenne die Menschen jedoch keineswegs völlig voneinander, vielmehr verbinde er sie an der Oberfläche: „So wie die Menschen heute sind, verstehen sie einander nur zu gut. Wenn sie einmal anfingen, sich nicht mehr zu verstehen, weder sie selbst noch die anderen, wenn die Formen ihrer Kommunikation ihnen suspekt würden und das Natürliche unnatürlich, so käme die grauenerregende Dynamik wenigstens zum Stillstand.“4. Um den unbehaglichen Beigeschmack der eigentlichen Distanz zu verschleiern, gebärdeten sie sich einander gegenüber wie Kolleg_innen eines Teams, wodurch ihre Beziehungen mehr und mehr zur „Brüderlichkeit des Sportpublikums“ herabsänken, „die vor der richtigen schützt.“5. Ähnlich, als typischerweise gesellschaftliches Ereignis, beinhaltet und benötigt die Party jenes betont kumpelhafte, umgängliche und wohlgelaunte Gebaren, dessen verdinglichende Effekte Adorno als Stabilisierung der gesellschaftlichen Ordnung kritisiert:

„Umgänglichkeit selber ist Teilhabe am Unrecht, indem sie die erkaltete Welt als eine vorspiegelt, in der man noch miteinander reden kann, und das lose, gesellige Wort trägt bei, das Schweigen zu perpetuieren, indem durch die Konzessionen an den Angeredeten dieser im Redenden nochmals erniedrigt wird.“6

Hier stehen also bereits analytische und begriffliche Instrumente bereit, die man zur Kritik der Alltagskultur aufnehmen könnte. Darauf folgt nun keine Absage ans Feiern – hier geht es zunächst um die Ergründung dessen, was da womöglich alles noch brodelt.

Man kann nicht kommunizieren

Ein letztes Residuum, das sich der ökonomischen Zweckrationalität tendenziell entzieht, ist bei Adorno die autonome und „authentische Kunst“ – in seinem Verständnis als ein Medium, das die notwendige Spannung zwischen Allgemeinem und Besonderem nicht aufzuheben trachtet. In diesem Sinne wird sie mit Nichtkommunikation in Verbindung gebracht, sie markiert gleichsam einen Bruch mit der Kommunikationsideologie. „Die Kommunikation der Kunstwerke mit dem Auswendigen jedoch, mit der Welt, vor der sie selig oder unselig sich verschließen, geschieht durch Nicht-Kommunikation.“7. Mit dieser Nichtkommunikation wächst die Fähigkeit, gesellschaftliche Widersprüche zum Ausdruck zu bringen: indem die ungelösten Antagonismen der Realität in der Formbildung der Kunst wieder auftauchen, fungiert jene als kulturelles Gedächtnis der Randständigen und birgt Potential, die durch den Fetisch geformte Ideologisierung der Wirklichkeit zu durchschauen. In einer Gesellschaftsform, in der das von Marx unterstellte Klassenbewusstsein einem kulturindustriell verwalteten Massenbewusstsein weicht, verkörpere die „authentische Kunst“ einen Gegenpol, der sich einer auf begrifflicher Aneignung beruhenden Identitätslogik entziehe, einer Logik also, die eine ungebrochene Einheit zwischen Begriff und Ding unterstellt.8

Angesichts der derzeitigen gesellschaftlichen Umstände ist es mehr als fraglich, ob Kulturindustrie noch unter der Prämisse einer Durchdringung aller kognitiven Leistungen im Sinne einer Uniformierung des Bewusstseins aufgefasst werden kann, zumal sie die Kritik an der „Konsumgesellschaft“ schon lange gewinnbringend in sich aufgenommen hat.

Dieses Motiv findet sich auch im Aufbau der Texte Adornos. Dem Vorwurf, sie versperrten sich durch ihre schwere Verständlichkeit der Zugänglichkeit, setzte Adorno entgegen, dass die sprachlichen Formen selbst als Moment der Kritik zu begreifen seien und bewusst die Anstrengung des Denkens forderten. Da durch die zunehmenden Eingriffe und Bewusstseinsverformungen die Kulturindustrie Sprache mehr und mehr zur Reklame verkomme9, appelliert sowohl der fragmentarische Aufbau als auch der Sprachstil vieler Texte an das Denken in Widersprüchen, die sonst aus dem Bewusstsein zu verschwinden drohten. Durch die Sprache, die der/die Konsument_in schließlich spreche, trage er/sie selbst zum Reklamecharakter der Kultur bei: Der Umstand, dass Worte mehr und mehr zu Hülsen würden, die das Gemeinte möglichst klar und durchsichtig auf den Punkt bringen sollten, beraube sie ihres Ausdrucks- und Erfahrungsgehalts, da sie „nur noch bezeichnen und nichts mehr bedeuten“10 dürften. Das Wort erstarre zur Formel. Dass der Signalcharakter der blinden und erfahrungslosen Sprache, wie sie in der Kulturindustrie zutage trete, an den Jargon der faschistischen Volksgemeinschaft erinnere, hefte ihr einen totalitären Charakter an. Der Einwand gegen Texte, die sich der Griffigkeit verdinglichter Sprachwendungen entziehen, alles hätte auch einfacher gesagt werden können, bezeuge eine ressentimentgeladene Haltung, die sich gegen das Denken überhaupt wende.

Gerade die Verfechter_innen des Ideals „herrschaftsfreier Kommunikation“ sind es, die bewusst in Stellung gebrachte Widersprüche als Angriffsfläche nutzen und diese gleichzeitig als ein Resultat falschen Denkens meinen aufdecken zu können. Jene Aporien und Widersprüche sind jedoch nicht auf formallogische Unstimmigkeiten zu reduzieren, sondern als wesentlicher Bestandteil einer dialektischen Kritik der Identitätslogik zu verstehen, die in ihrer Formbildung zudem ihren Gegenstand spiegelt: die Gesellschaft als antagonistischen Strukturzusammenhang.

Form kann anknüpfend hieran in vielerlei Hinsicht aufgegriffen werden: Der Fetischismus der bürgerlichen Warenproduktion greift auf alle Kulturgüter und die ihnen entsprechenden Wahrnehmungsgewohnheiten über: Die Möglichkeit, Kultur zu konsumieren, ohne ihre spezifischen Besonderheiten und die darin enthaltenen Momente von Wahrheit und Erkenntnis zu erfassen, ist bereits Ausdruck ihres warenförmigen Charakters11 12.

Gegenstandes suggeriert, selbst wenn dieser sich der Einpassung widersetzt. Auch ist die traditionelle Auffassung des bürgerlichen Autorsubjekts hieran geknüpft, das im von ihm produzierten Text unsichtbar wird und sich gleichsam außerhalb jener Objekte positioniert, die es untersucht.

Im Projekt Zine versuchen wir, unsere Situiertheit nicht hinter ungebrochenen Formgebungen verschwinden zu lassen, sondern zum Ausgangspunkt zu machen:

„Wir sind genervt (…) und bleiben sowieso viel zu oft allein zu Hause, üben uns in tonloser Neutralität, um immerhin sicher gehen zu können: heute Abend bleibt uns einiges erspart. Wir finden das ätzend und wollen: Genuss.“

Alltag ohne (Wochen-)Ende

Will man den Versuch unternehmen, jenen Sprachgestus in Texten u.a. mittels Formbrüchen zu kritisieren, kann es selbstverständlich nicht darauf ankommen, sich ausschließlich in rätselhaften Textfragmenten oder Betroffenheitsrhetoriken zu ergehen. „Persönliche Notizen sollen im Zine ihren Platz finden wie Ansätze der Theoretisierung; unser Unmut über sub- und popkulturelle Einspeisungen schließt an klassisch gewordene Theoreme an. Fragen werden hier griffig, da voraussetzungsvoll gestellt, bleiben oft stehen. Die Überlegungen sind nicht mehr als eine Annäherung an einen schwer greifbaren Gegenstand, die weder Vollständigkeit noch Kohärenz beanspruchen kann.“

Angesichts der derzeitigen gesellschaftlichen Umstände ist es mehr als fraglich, ob Kulturindustrie noch unter der Prämisse einer Durchdringung aller kognitiven Leistungen im Sinne einer Uniformierung des Bewusstseins aufgefasst werden kann, zumal sie die Kritik an der „Konsumgesellschaft“ schon lange gewinnbringend in sich aufgenommen hat. Mit der kulturindustriellen Aufwertung des Individuellen, Rebellischen und Nonkonformen und der damit wachsenden Ähnlichkeit der Formen populärer Gegenkultur mit denen effizienten Unternehmensmanagements, läuft der „subversive“ Kampf gegen die „Einförmigkeit der Massenkultur“ ins Leere; parodistische Wiederholungen und die Zersetzung homogener Identitäten lassen sich kaum mehr von den Regeln marktkonformer Regenerierung unterscheiden. Der „konforme Nonkonformismus“ erscheint als neue Variante eines bohemian chic, sich im Konkurrenzkampf um angesehene Lebensstile seinen Platz zu sichern.13

Das Ideal des Einzigartigen, Authentischen und Originalen, für das die Kunst paradigmatisch steht, ist seit der kulturindustriellen Zugriffe im Zuge der technologischen Innovation des 20. Jahrhunderts schwerlich zu verteidigen – noch weniger ist es das aber in Zeiten eines Differenz verwertenden Kapitalismus, in dessen Ideenrepertoire jenes Authentizitäts-Ideal längst Eingang gefunden hat. Dabei verdichtet sich dieses Ideal auf Subjektebene zu einem Individualitäts-Imperativ à la „Sei einzigartig! Sei du selbst! Sei frei!“14, der häufig als ungezwungene Entscheidung empfunden wird, aber eine regulatorische Arbeit der Einzelnen an sich selbst erfordert. Unter solchen Voraussetzungen wundert es kaum, wenn politische Positionen und die ihr zugehörigen Codes vermehrt zu Platzhaltern von Individualität werden und sich in Lifestyles konzentrieren; eines der augenfälligsten Beispiele im Zusammenhang mit der Linken ist wohl der Antifa-Chic15.

Der Zusammenhang von Ästhetik und Politik im popkulturellen Alltag spannt ein zutiefst widerspruchsvolles Feld auf.

Diese Form der „Ästhetisierung der Politik“16 scheint jedoch mit einer Tendenz zur Entpolitisierung des Ästhetischen einherzugehen: wenngleich Style-Aspekte wichtiger zu werden scheinen, was ja an sich nichts Bedauerliches bedeutet, ist eine reflexive Befassung mit ihnen eher eine Seltenheit. Fatal wird das genau dort, wo angebliche „Formfragen“ wie Redeverhalten oder männerbündisch-martialisches Auftreten als nicht politisch relevant und deshalb nicht weiter diskussionswürdig preisgegeben werden: „Wir konstatieren Leerstellen. Scheint es doch nach wie vor selbstverständlich, dass ich mir den sexistischen Scheiß auf Parties und Konzerten geben muss (weil das alles „nur Kultur“ ist?); dass man über Popkultur nicht reden muss. Dass es angeblich alles nicht so gemeint ist. Dass Ansprüche nicht weiter verhandelt werden, wenn sie einmal auf einem Aufkleber stehen. Und dass es einfach die Privatsache jeder Einzelnen ist, Wege zu finden, alltäglich klar zu kommen.“

Ob es die sogenannte „Krise der Poplinken“17 ist, die die Abnahme der Verhandlungen über die politischen Implikationen popkultureller Produktion und Rezeption bedingt, oder ob die Poplinke in vielen Zusammenhängen nie angekommen ist: die Ästhetik des Alltäglichen ist jedenfalls gegenwärtig poptheoretisch unterbelichtet.

Das Private ist privat

Selbstverständlich kann es nicht darum gehen, eine (Re-)Politisierung des Formal-Ästhetischen mithilfe eines PC-Kodexes über das Tragbare, Hörbare oder sonstwie Konsumierbare zu bemühen; überhaupt erzwingt eine negative Kritik noch keine „praktischen Handlungskonsequenzen“ oder „konkreten Lösungsvorschläge“ – vielmehr soll zunächst der merkwürdige Reflex einer unbedingten Verteidigung der „Privatsphäre“, aus der jedwede Möglichkeit politischer Intervention vorgängig ausgelagert wird, auf seine ideologischen Abgründe hin besehen werden.

Wir wollen uns also mit der Frage beschäftigen, wie Alltagsleben im Bezug auf Strukturmerkmale des Ästhetischen fassbar ist und wie seine implizit wie explizit politischen Dimensionen für eine Analyse des popkulturellen Alltags neu anknüpfbar gemacht werden können. Wie kann es sein, dass Formen politischer Symbolik einerseits immer mehr von Lifestylekomponenten und Distinktionsgewinnen getragen werden und andererseits die Befassung mit „Formfragen“ in vielen Politzusammenhängen gemieden wird?

Der Zusammenhang von Ästhetik und Politik im popkulturellen Alltag spannt ein zutiefst widerspruchsvolles Feld auf. Um diesen Umstand nicht ignoriert zu lassen und die inhaltliche Relevanz von Form neu anzumelden, wählen wir die Zineform.

  1. Aus dem Editorial eines in Entstehung begriffenen Zines. An ausgewählten Stellen dieses Artikels folgen weitere Zitate aus selbigem Editorial, die kursiv gekennzeichnet sind. 

  2. Rademacher, Claudia: Versöhnung oder Verständigung? Kritik der Habermasschen Adorno-Revision. Lüneburg 1993. 

  3. Adorno, Theodor W.: Ästhetische Theorie. Frankfurt am Main 1970. S. 115. 

  4. Horkheimer, Max: Neue Kunst und Massenkultur (1941). In: Horkheimer, Max: Kritische Theorie, Studienausgabe. Frankfurt am Main 1977. S. 426. 

  5. Vgl. Adorno, Theodor W./Horkheimer, Max: Kulturindustrie, Aufklärung als Massenbetrug. In: Adorno, Theodor W./Horkheimer, Max: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt am Main 1969. S. 174. 

  6. Adorno, Theodor W.: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt am Main 1951. S. 26-27. 

  7. Adorno, Theodor W.: Ästhetische Theorie. Frankfurt am Main 1970. S. 15. 

  8. Vgl. Ebd. 

  9. Vgl. Adorno, Theodor W./Horkheimer, Max: Kulturindustrie, Aufklärung als Massenbetrug. In: Adorno, Theodor W./Horkheimer, Max: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt am Main 1969. S.170. 

  10. Ebd. 

  11. Die Warenförmigkeit der Kulturerzeugnisse rührt von der Tatsache her, dass Kulturindustrie innerhalb einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft immer dem Verwertungsmechanismus des Kapitals unterworfen bleibt, d.h. als eine Ausformung der Marktgesetze in Erscheinung tritt. 

  12. Der Warenfetisch im Marxschen Sinne bezeichnet hier das Phänomen, dass die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen als Beziehungen von Dingen, d.h. als Wertbeziehungen der ausgetauschten Produkte erscheinen. Vgl. Marx, Karl: Das Kapital, erster Band (MEW 23). Berlin 1962. S. 86. Im Resultat treten sie als „gesellschaftliche Natureigenschaft(en) der Produkte“ (ebd.) auf den Plan, so als besäßen diese automatisch Wert und folgten damit automatisch eigenen Sachgesetzen. 

  13. Dazu sagt der Musiker Björn Peng folgendes: „Wenn ihr nonkonform sein wollt, müsst ihr euch so anziehen wie wir und die selbe Musik hören wie wir.“. 

  14. Doll, Martin: Für eine Subversion der Subversion. In: Ernst, Thomas/Gozalbez Canto, Patricia (Hg. u. a.): Subversionen. Zum Verhältnis von Politik und Ästhetik in der Gegenwart. Bielefeld 2008. S. 59. 

  15. „wir waren 6 männer und hatten insgesamt 17 carharrt-teile an (…) und das seltsamerweise ohne gefühle von distinktionsverlust, so a la: oje, ich seh ja genauso aus wie alle.“ Siehe Link 

  16. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Frankfurt am Main 1963. S. 44. 

  17. Jene „Krise“ wird etwa in der Oktoberausgabe 2009 der diskus oder in der Regress-Nummer der Testcard thematisiert. 

Helena Berg-Dogow lebt in Wien, arbeitet in Prag und wirkt derzeit an einem überregionalen Zine-Projekt mit.

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