Sie nennen es Liebe. Wir nennen es unbezahlte Arbeit.
Der Aufstand aus der Küche mit Silvia Federici und Kitchen Politics
Das Herausgeber_innenkollektiv Kitchen Politics hat sich nicht wenig vorgenommen mit diesem Aufstand. Am Küchentisch, im Seminarraum, in der Fabrik und all den anderen profanen Orten des Alltags soll sie beginnen: die radikale, bittersüße Kritik der Gesellschaft. Und dann, ein paar Buchseiten später, umschlagen in notwendige Interventionen. Gegen den Normalzustand geht es nun also mit der neuen Buchreihe Kitchen Politics, von überall und für alle die sich dafür interessieren. Der große Anspruch hüllt sich dabei zum Einstieg in die Queerfeministischen Interventionen in angenehm leichte Formulierungen. Eingeladen wird zu einer queeren ménage à trois. Mit im Bett liegen der Feminismus und die Kapitalismuskritik, um die Gemeinsamkeit der Kämpfe antikapitalistischer, feministischer und queerer Bewegungen unter eine Decke zu packen. Die italienische Feministin Silvia Federici, für die die Revolution am „Ground Zero“ beginnt – bei dem Kampf um die Haus-, die Reproduktionsarbeit – wird in Aufstand aus der Küche zur Vermittlerin der Bettgenoss_innen.1 Kreisend um die „Arbeit aus Liebe“ stellen die Herausgeber_innen drei Texte von Federici vor, welche trotz des mitunter hohen Alters (der Text Counter-Planning from the Kitchen stammt aus dem Jahr 1974) erstmalig auf Deutsch zugänglich gemacht werden und allein in ihrer Zeitlichkeit ein spannendes Dokument feministischer (Theorie-)Kämpfe darstellen. So entspannen sich in den Texten feine Entwicklungslinien: kritisches Denken, das Umwerfen, neu justieren und das Weitermachen darin und darüber hinaus, wird zwischen den Zeilen lebendig. Mit Rückbezug auf Marx’ Begriff der ursprünglichen Akkumulation und den theoretischen Grundlagen des italienischen Operaismus gelingt es Federici globale Verbindungslinien einer feministischen Analyse der Reproduktion nachzuzeichnen und sich auf Kämpfe zu beziehen, die heute stattfinden. Sie reiht sich damit ein in Traditionslinien eines (auch feministischen) Dagegenanschreibens. Gerade gegen Marx selbst, der in seiner politischen Ökonomie beflissen über die Existenz der Reproduktionsarbeit, welche traditionell weiblich besetzt bleibt, hinweg sah.2 Aber auch gegen eine vermeintliche „Befreiung der Frau“ im Zuge der Arbeitsmarktöffnung wird offen opponiert, birgt diese doch nichts anderes, als die Freiheit der weiblichen Subjekte nun eben ihre eigene Arbeitskraft zu veräußern (und dann nach Hause zu gehen und weiterzuspülen). Die historische Gewordenheit der einzelne Texte vermischt sich immer wieder mit Federicis eigener Bewegungsgeschichte. Die von ihr mitbegründete internationale Kampange Lohn für Hausarbeit bildet einen durchgängigen Bezugs- und Reibungspunkt der Entfaltung eines Kampfes um die Reproduktionsarbeit. Als Diskussionsforum für feministische Ökonomiekritik forderte die Kampange die doppelte Ablehnung von Arbeit: „Denn wir kämpfen nicht um eine gleichmäßigere Verteilung der selben Arbeit. Wir kämpfen darum, dieser Arbeit ein Ende zu bereiten, und der erste Schritt besteht darin, sie mit einem Preisschild zu versehen.“3 Die Kritik an Marx und folgenden Theoretiker_innen, ihr unter-den-Küchentisch-kehren der Reproduktionsarbeit, ohne die der Kapitalismus nicht auf die Ware Arbeitskraft zurückgreifen könnte, bleibt für Federici grundlegend. Ihre historische Analyse der veränderten Reproduktionsbedingungen und ihrer Verflechtungen mit der Produktionssphäre speist sich aus individuellem Wissen um die Kämpfe, welche die Anerkennung des Haushalts als Ort der Produktion erst ermöglichten. Dieser Paradigmenwechsel, der, wie die Kampagne in den 1970er verortet ist, führte zu einer harschen Zurückweisung vormals unumstößlicher marxistischer Grundsätze und Leitgedanken. Was soll man von einem General-streik halten, wenn alle haushaltsarbeitenden Frau in der Küche verweilen und den müden Revoluzzern noch das Abendessen in den Ofen schieben? Mit diesem Sichtbarmachen der Kämpfe um die Reproduktion ging eine Neubestimmung des Privaten als nunmehr politisch einher. Eine suchende Annäherung an die beißende Frage, warum Hausarbeit in der Vergangenheit bis ins Heute hinein noch immer als persönliche Dienstleistung außerhalb des Kapitals verortet wird, verbindet die Analysen der Vergangenheit und der schwellenden Kritik der Gegenwart: „Die Arbeit erscheint als ein Bereich unseres Lebens unter anderen: als etwas, das nur zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Räumen stattfindet. Die Zeit, die wir in der „gesellschaftlichen Fabrik“ darauf verwenden, uns auf die Arbeit vorzubereiten, indem wir „Muskel, Nerv, Hirn usw.“ mit kurzen Imbissen, kurzem Sex und Filmen wiederherstellen, erscheint als Muße, Freizeit, individuelle Wahl.“4 Die Bindung an den Haushalt, welche nicht nur als solche, sondern gerade in der Abwesenheit eines Lohns, im Lichte des falschen Bewusstseins als Akt der Liebe erscheint, fesselt die entfremdeten Individuen an ihre zugewiesen Geschlechtscharaktere. Sie können damit als Subjektivierung einer geschlechtlichen Arbeitsteilung rekonstruiert werden. Ein spezifisches Begehren und Sexualität werden mit Federici gelesen zur Arbeitsbedingungen. Und wenn Abtreibung ein Arbeitsunfall, Homo- und Heterosexulität nichts als unterschiedliche Grundlagen von Arbeit sind, dann befinden wir uns auch hier auf einem Spielfeld des antikapitalistischen Kampfes und es gilt zurück zu schlagen. Für Silvia Federici ist der kollektive Kampf um die Reproduktion, die Wiederaneignung der materiellen Bedingungen der Produktion und die Entwicklung neuer Kooperationsformen jenseits der Logik von Kapital und Markt längst keine Utopie mehr. Vielmehr bewegt sich entlang der Commons, der Gemeingüter, an der Peripherie gemeinschaftlicher (Land- und Tausch-)Wirtschaft längst einiges in Richtung einer fortschrittlichen Reorganisation der Reproduktion. Aus diesen Bemühungen geht für Federici „…eine neue Ökonomie hervor, die die Reproduktionsarbeit aus einer dumpfen, von Diskriminierung geprägten Tätigkeit in eines der befreiendsten und kreativsten Experimentierfelder für zwischenmenschliche Beziehungen verwandeln könnte.“5 Sie findet in feministischen und antikolonialen Bewegungen, Landbesetzungen und alternativen Wirtschaftsformen komplexe, vergemeinschaftende Tätigkeiten und in der Transgender- und Intersexbewegung die Möglichkeit, die konstruierten Geschlechterbestimmungen und die geschlechtliche Arbeitsteilung zu überwinden. Entlang dieser Linie läuft auch die Verbindung zu der einen Bettgenossin der Interventionen: der Queerness. Nur sträubt sich in Federicis Analysen von Frauen und Männern, die dann eben auch gelegenlich als Kollektivsubjekte in den Gebärstreik ziehen6, einiges gegen diese Setzung. Nicht die Frage nach Heteronormativität oder Dekonstruktion von Begehrensstrukturen sind Anliegen von Federicis Texten, sondern vielmehr die Fortschreibung und Akualisierung einer feministischen Kritik der politischen Ökonomie. Diese Leerstelle findet ihren Platz im Einleitungstext der Herausgeber_innen und gerade mit diesem gelingt es ihnen mit Silvia Federici Lust zu machen auf einen Aufstand aus der Küche, auf Gedanken die sich lustvoll sträubend gegen einen alltäglichen Normalvollzug stellen und mehr wollen, als das was ist. Mehr daher bitte auch von den Kitchen Politics.
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Vgl.: Federici, Silvia: Aufstand aus der Küche, Münster 2012, S. 85. ↩
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Vgl.: Ebd., S. 24 – 26. ↩
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Ebd., S. 121. ↩
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Ebd., S. 119. ↩
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Ebd., S. 84. ↩
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Ebd., S. 74: „Das Ausmaß der Hausarbeit hat abgenommen: einerseits, weil weniger Zeit für sie zur Verfügung steht, anderseits aber auch, weil Frauen die Disziplin, die mit dem Eheleben und der Kindererziehung einhergeht, verweigern. Frauen haben das Ausmaß der Hausarbeit verringert, indem sie die Kinderzahl gedrosselt und die ihren Partner_innen zur Verfügung gestellten Dienstleistungen eingeschränkt haben.“ ↩