Anna Kow

Handwerkerinnen. Drei Protokolle.

“Du musst immer mehr als 100% leisten – sonst wirst du niemals ernst genommen.”

Jenny, 22, ist im dritten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur Zweiradmechanikerin

Nach der Schule wollte ich unbedingt zur Polizei. Ich habe auch alle Aufnahmetests bestanden, aber dann, beim Vorstellungsgespräch, war ich mir auf einmal nicht mehr so sicher, ob ich wirklich zur Polizei will – und die Polizei war sich auch nicht mehr so sicher, ob sie mich will. Daraufhin wusste ich erst mal nicht, was ich stattdessen tun soll. Irgendwie kam ich dann auf Zweiradmechaniker – und wusste sofort, das ist es. An meinem Fahrrad habe ich schon immer gerne rumgeschraubt. Ich bin dann zu allen Fahrradläden und -werkstätten der Stadt gefahren und habe gefragt, ob sie ausbilden. Die meisten haben mich einfach ausgelacht: „Haha, kommt mal her, da ist ein Mädchen, die will MECHANIKERIN werden!“ Meine Bewerbung wollten die gar nicht erst lesen. In einer Werkstatt haben sie behauptet, der Meister sei gerade gestorben, sie würden leider nicht mehr ausbilden. Kurz danach haben sie einen anderen Lehrling eingestellt.

„Hallo hier Fahrradladen Sowieso, Jenny am Apparat.“ Die Antwort ist dann meistens: „Oh, ich wollte eigentlich mit der Werkstatt verbunden werden.“ Dann sage ich: „Ich bin in der Werkstatt.“ Und die: „Ach so, kann ich denn mal mit einem Mechaniker sprechen?“

Irgendwann durfte ich dann tatsächlich probeschrauben in einem Betrieb. Ich konnte noch fast gar nichts, aber weil ich diesen Ausbildungsplatz so sehr wollte und weil sie gemerkt haben, dass ich was lernen will und ehrgeizig bin, haben sie mich genommen. Meine Kollegen sind echt okay, die stehen hinter mir. Aber die Kunden – vor allem Frauen übrigens – nerven. Ständig heißt es: „Ach, das ist ja wirklich bemerkenswert, dass sie als Frau das machen!“ Das ist irgendwie zermürbend. Oder die Anrufe: Ich melde mich und sage: „Hallo hier Fahrradladen Sowieso, Jenny am Apparat.“ Die Antwort ist dann meistens: „Oh, ich wollte eigentlich mit der Werkstatt verbunden werden.“ Dann sage ich: „Ich bin in der Werkstatt.“ Und die: „Ach so, kann ich mit denn mal mit einem Mechaniker sprechen?“

Ob mir meine Kampfsporterfahrung schon mal was genützt hat? In der Berufsschule ja. Da habe ich einmal einem Typen, der mir an den Arsch gefasst hat, einen Kick direkt ins Kreuz verpasst. Er hat so getan, als täte es nicht weh, aber ich habe gesehen, wie er kurz in die Knie gegangen ist. Danach hat er mich in Ruhe gelassen. Ansonsten muss man sich einfach auf deren Niveau begeben – auch wenn’s Scheiße ist. Klar rufen die dir dauernd Sachen hinterher wie: „ Ey Jenny, nimmst du ihn eigentlich auch in den Arsch?“ Und dann rufe ich halt: „Klar, aber dein Schwanz ist mir zu klein.“ Nur so kriegst du den Respekt der Primaten.

Die meisten Lehrer sind okay, aber einer ist ein richtiges Schwein. Einmal waren wir alle zusammen im Labor und da hat er mir, als er etwas erklärt hat, die ganze Zeit auf die Titten gestarrt. Das ist dem gar nicht aufgefallen. Irgendwann habe ich ihn dann mit meinem „Ich töte dich gleich“-Blick angeschaut und da ist er zurückgewichen, war peinlich berührt. Später meinte er dann: „Du stehst jetzt zwischen Eins und Zwei – was könntest du mir für eine Eins denn bieten?“ Da war ich wirklich sprachlos, zum ersten Mal. So was habe ich noch nie erlebt.

Mit öffentlichen Fördergeldern eine Ausbildungsklasse nur für Frauen ins Leben rufen? Nein, das ist keine gute Idee - genau dadurch werden die Unterschiede zwischen den Geschlechtern doch nur wieder reproduziert.

Eins muss ich sagen: Als Frau musst du immer besser sein als die Jungs. Sonst bekommst du dauernd zu hören: „Ach, für ein Mädchen war das gar nicht so schlecht, ich geb’ dir mal ne Zwei.“ Nein, du musst immer mehr als 100% leisten – sonst wirst du niemals ernst genommen.

„Wenn ich mit dem Vorschlaghammer irgendwo drauf haue, bin ich weder kreativ noch einfühlsam.“

Svenja, 25, ist im dritten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur KFZ-Mechatronikerin und wohnt in Karlsruhe

Ich hab mich eigentlich nie für handwerklich begabt gehalten, aber ich wollte nach dem Abi eine Ausbildung machen, solange ich noch jung genug bin dafür. Ich bin dann in Karlsruhe gelandet, dort gibt es aus irgendeinem Grund viele Betriebe, in denen Frauen arbeiten. Alle meine Freundinnen hier sind Handwerkerinnen. So hab ich dann auch angefangen, hier und da Praktika zu machen, als Zimmerin, Maurerin und Turbinenmechanikerin.

Mein Chef dachte am Anfang manchmal, ich könnte bestimmte Sachen nicht tragen, einfach wegen der Körperkraft und nicht wegen des Könnens. Ansonsten prahlt er aber vor anderen mit mir: mein Lehrling, der kann alles. Ich hab `nen Mädchenbonus bei dem, bekomme fast immer Lob, kaum Kritik. Das finde ich schon manchmal schräg – wenn ich ein Typ wäre, würde er anders mit mir umgehen. Die Kunden sind beeindruckt, dass ich als Frau das mache, das ist mir manchmal peinlich. Ganz viele Frauen haben mich schon angesprochen und gesagt, dass sie das früher auch gewollt hätten, aber nicht durften. Viele Kunden denken, ich sei die Tochter vom Chef. Wo soll das Mädchen denn sonst auch herkommen?

Wenn man als Frau in Arbeitsklamotten durch die Stadt läuft, wird man angestarrt. Und bewundert. Komisch, oder? Dass das immer noch so was Besonderes ist. Männer starren vor allem, aber nicht unbedingt abwertend. Meine Freundin, die ist Zimmerin, wurde beim Bäcker allerdings mal regelrecht angefahren. Manche Männer denken wahrscheinlich: Ich kann ja sonst nix, jetzt nimm mir nicht auch noch das Handwerk.

Wir sind ja ‘ne relativ kleine Werkstatt, wo die Kunden direkt daneben stehen. Da war ich am Anfang schon oft nervös und es kam vor, dass mir Kunden das Werkzeug aus der Hand genommen haben. Andere Frauen erleben das auch. Sie sind irgendwo auf Montage und dann kommt irgendein Arschloch und nimmt ihnen das Werkzeug aus der Hand, weil er glaubt, das besser zu können.

Wir sind ja ‘ne relativ kleine Werkstatt, wo die Kunden direkt daneben stehen. Da war ich am Anfang schon oft nervös und es kam vor, dass mir Kunden das Werkzeug aus der Hand genommen haben.

Berufsschule ist wirklich hart. Dabei habe ich eigentlich ein dickes Fell, was so was angeht. Ich muss manchmal nach drei Stunden schon nach Hause gehen, weil ich’s einfach nicht mehr aushalte. Nicht, weil sie mich direkt blöd anmachen würden, das passiert eigentlich nicht. Aber wie die so über Frauen reden … Ficken, Fotze, Schwanz sind die Wörter, die am Tag am häufigsten benutzt werden. Meine Klasse ist da aber auch besonders schlimm. Ich war einmal in einer andren Klasse, das waren Elektroniker, die alle Lust hatten, was zu lernen. Die hatten auch durchweg höhere Bildungsabschlüsse. Da fiel nicht einmal das Wort „Fotze“. Die waren einfach mehr mit dem Stoff beschäftigt als damit, andere zu dissen. Warum das in meiner Klasse so schlimm ist? Viele werden KFZ-Mechatroniker, weil ihnen nichts anderes einfällt, weil sie `ne coole Karre fahren wollen. Das gilt als der allerletzte Prollberuf und die Bezahlung ist mies. Dementsprechend sind die nicht besonders motiviert, was zu lernen. Und sobald sich einer zu viel für den Unterricht interessiert, wird er gemobbt.

Ich schotte mich total ab, verbringe keine Zeit mit denen, ich weiß nicht mal, wie die heißen. Ich will denen einfach keine Angriffsfläche bieten. Deswegen halte ich leider oft auch in Situationen, in denen es eigentlich angebracht wäre, was zu sagen, die Klappe. Was ich auch nicht gut finde. Da kommen ja ständig antisemitische, rassistische und sexistische Sprüche. Aber wenn ich dann aufstehen und was sagen würde, hätte ich mir sämtlichen Respekt sofort verspielt.

Einmal wurde es mir zu viel und da bin ich zu unserem Abteilungsleiter gegangen. Der war dann ganz verständnisvoll und vor allem arg bemüht, mich davon zu überzeugen, dass das eine krasse Ausnahme gewesen sei. Man hat gemerkt, dass er auf keinen Fall einen öffentlichen Sexismusvorwurf haben wollte.

Alle Handwerkerinnen, die ich kenne, waren immer Klassenbeste. Du musst als Frau einfach beweisen, dass du’s wirklich drauf hast. Wie man Mädchen unterstützen könnte, ins Handwerk oder allgemein Männerberufe zu gehen? Da müsste man echt früh anfangen. Es wird Mädchen ja von klein auf eingeredet, dass sie das nicht können. Ein Freund von mir arbeitet in einem Kindergarten, in dem es eine Werkstatt nur für Mädchen gibt. Vielleicht ist so was ein Anfang.

Es gab mal ein Treffen der IHK (Industrie- und Handelskammer) zum Thema Frauen im Handwerk, da haben drei Frauen vor rund 300 Mädchen die Eröffnungsrede gehalten. Und die sagten dann, was für ein Zugewinn Frauen doch für die Gewerke seien – weil sie ja so sozial und kreativ seien. Krass, so was gleich in der Eröffnungsrede zu hören! Ich wäre am liebsten sofort wieder gegangen. Wenn ich mit dem Vorschlaghammer irgendwo drauf haue, bin ich weder kreativ noch einfühlsam.

„So eine Ausbildung ist für jeden eine harte Angelegenheit. Du bist immer der Arsch, du kannst nix, wirst unter Druck gesetzt.“

Katharina, 31, hat mit 27 ihre Ausbildung angefangen und arbeitet seit kurzem als selbstständige Tischlerin. Hat ein abgeschlossenes Studium in Kulturwissenschaften

Ich bin da so ein bisschen blauäugig reingegangen. Wenn ich mehr darüber nachgedacht hätte, was mich erwarten könnte, hätte ich die Ausbildung vielleicht gar nicht angefangen, wer weiß. Ich habe zeitweise in einer betriebsübergreifenden Ausbildungsstätte gelernt, da kommen eigentlich die Leute hin, die keinen Ausbildungsbetrieb gefunden haben. Das ist dann ein Haufen bunt zusammengewürfelter 16- bis 20jähriger, zumeist männlicher Jugendlicher, von denen viele auch vom Amt dorthin gezwungen worden sind. Da herrscht ein krasser Umgangston, ein krasses Klima.

Ich hatte schnell einen Exotenstatus: war mit Abstand die Älteste, eine Frau, studiert, lesbisch, mit einem russischen Nachnamen. Dass ich meistens allein war, hatte aber auch viel damit zu tun, dass ich einfach kein Interesse an denen hatte, an deren Gesprächsthemen. Ich hab mich dann in der Mittagspause nicht dorthin gestellt, wo alle rauchen, sondern lieber mein Buch gelesen. Wenn man sich auf den Tonfall, der dort herrscht, einlässt, dann kann man da auch als Frau Anschluss finden. Wichtiger ist die gemeinsame Sicht der Dinge. Aber ich hatte eben nicht viel mit denen gemeinsam.

So eine Ausbildung ist für jeden eine harte Angelegenheit. Du bist immer der Arsch, du kannst nix, hast Angst, wirst unter Druck gesetzt von den Eltern, dem Meister, dem Arbeitsamt. Jugendliche müsse man treten, denn die seien faul, doof und ständig am Komasaufen – das ist die allgemeine Ansicht, die da herrscht. Und das bestätigt sich dann natürlich auch immer wieder. Einmal hieß es morgens, der Soundso hat sich umgebracht – und da wurde dann ganz normal weiter gearbeitet, als wäre nichts gewesen. Das ist in den drei Jahren meiner Ausbildung zweimal passiert.

Direkte Anfeindungen habe ich wenig erlebt. Aber wie die so reden über Frauen, vor deinen Augen und Ohren, das hat mich schon erschreckt. Das ist eigentlich das Ekelhafteste.

Ich bin viel gefördert worden. Wenn die merken, dass man ehrgeizig ist, dass man wirklich was lernen will, dann bekommt man auch Unterstützung. Mir wurden Aufgaben übertragen, da haben andere nur von träumen können. Und trotzdem habe ich mir von dem gleichen Meister, der mich so gefördert hat, mehrmals anhören müssen: Du hast als Frau doch eh keine Chance. Manche Meister haben keine Lust, mit Frauen zu arbeiten, weil man bei denen mehr mit anpacken muss. Ich hab das schon beobachtet, dass selbst die Jungs, die nicht viel größer und breiter waren als ich, mehr Kraft hatten. Ich kann nicht dauernd Fenster heben, die 180 Kilo wiegen, ich frage dann eben um Hilfe. Aber auch bei Männern ist nach 20 Jahren der Rücken kaputt. Viele arbeiten nur bis 50 ausführend in diesem Beruf.

Es gibt zu wenige Frauen, die Meisterin sind und ausbilden können. Letztlich funktioniert das wie in der Musikbranche: Die Typen buchen Typen, weil sie mit denen einfach gerne rumhängen, weil die Gesprächsthemen stimmen oder sie eh Kumpels sind. Das sind Netzwerke, und so läuft das auch im Handwerk. Viele Frauen ziehen sich nach der Ausbildung eher in Nischen zurück, machen sich selbstständig. Dadurch haben Mädchen – und auch Jungs – kaum die Chance, bei einer Frau zu lernen.

Letztlich funktioniert das wie in der Musikbranche: Die Typen buchen Typen, weil sie mit denen einfach gerne rumhängen, weil die Gesprächsthemen stimmen oder sie eh Kumpels sind.

Für den einen war ich immer nur „das Fräulein“ und der hat mich auch nie anders angesprochen. Den Spruch „Für ein Mädchen gar nicht so schlecht“ habe ich aber nie zu hören bekommen. Vielleicht sind Frauen, die so eine Ausbildung machen, auch einfach ehrgeiziger – wir waren jedenfalls alle ziemlich gut. Auch die Jahrgangsbeste war eine Frau, und die hat mich irgendwann mal gefragt: „Sag mal, fühlst du dich eigentlich diskriminiert? Also ich gar nicht.“ Da dachte ich schon, okay, das ist auch eine Art Selbstschutz, diesen Sexismus, der da natürlich herrschte, nicht an sich ran zu lassen. Bestimmte Dinge einfach gar nicht als Sexismus oder Diskriminierung wahrzunehmen. Schließlich will man arbeiten, will mit den Leuten, mit denen man einen großen Teil seines Lebens verbringt, einigermaßen gut klarkommen und denen nicht dauernd den Spaß verderben, indem man ihnen Kontra gibt.

Aber natürlich muss man das ab und zu mal machen. In meinem Betrieb, der eigentlich ein eher netter, alternativer Betrieb ist, haben sich die Leute eine Zeit lang zum Spaß gegenseitig „Muschi“ genannt. Ich hab ihnen dann versucht klarzumachen, dass dieses Wort, wenn sie es als Schimpfwort benutzen, mit Schwäche konnotiert ist und dass ich das Scheiße finde. Seitdem haben sie zumindest vor mir damit aufgehört.

Ich habe schon gemerkt, dass ich mich verändert habe durch diese Arbeit. Man lernt andere mundtot zu machen durch den richtigen Spruch zur richtigen Zeit. Du musst dir nur abgucken, wie die so miteinander reden, musst die Schwächen der anderen Person rausfinden, und genau da dann einen Spruch reindrücken. Klar, das hat mir schon auch mal Leid getan, wenn ich gemerkt habe, dass ich damit jemanden wirklich verletzt habe. Aber ich muss mir den Scheiß, den die so reden, ja auch anhören. Obwohl: man kann auch im Werkraum Lärmschutzkopfhörer tragen. Wenn man in ein geschlossenes System reinkommt, dann passt man sich dem in einem gewissen Maße an, egal, wie sehr man darüber reflektiert, egal, wie kritisch man das sieht. Man wird härter mit sich und mit anderen.

Nachbemerkung

Die hier abgedruckten Protokolle entstanden aus Gesprächen, die ich in den letzten zwei Jahren mit Frauen in Handwerksberufen geführt habe.1 Die Idee kam mir, nachdem eine Bekannte mir von ihrer Ausbildung zur Zweiradmechanikerin erzählt hatte und ich von dem, was ich da hörte, so geschockt war, dass ich es sofort danach aus dem Gedächtnis aufschreiben musste. Meine Gesprächspartnerinnen haben allesamt Abitur und repräsentieren damit nur eingeschränkt den weiblichen Durchschnitts-Lehrling an der Berufsschule.2 In Bezug auf Privilegien und Machtpositionen ist ihre Situation somit komplex: Einerseits sind sie als Frauen sowohl auf struktureller3 wie auch auf zwischenmenschlicher Ebene fortlaufend Sexismus ausgesetzt, sobald sie sich in die Männerdomäne Handwerk hineinwagen. Andererseits befinden sie sich durch ihren hohen Schulabschluss und den damit verbundenen sozialen Kontext gegenüber dem Durchschnitt ihrer Mitschülerinnen an der Berufsschule in einer privilegierten Situation, was z.B. berufliche Wahlfreiheit und soziales Standing anbelangt. Und um die Sache noch zu verkomplizieren, ist es möglicherweise genau diese Kombination, mit der gebildetere Frauen den Hass statusverlustängstlicher Männer – nicht nur im Handwerk – auf sich ziehen. In allen hier abgedruckten Berichten findet sich eine Reflexion auf gesellschaftliche Verhältnisse, in denen der erlebte Sexismus nicht für sich alleine steht, sondern als Teil einer größeren Misere angesehen wird. Aus dieser Perspektive wird auch deutlich, dass es nicht darum gehen soll, empört mit dem Finger auf die Prollos von der Berufsschule zu zeigen – und ebenso wenig darum, den dort herrschenden gewaltsamen Umgang zu verharmlosen und zu entschuldigen. Die Ungerechtigkeiten der Klassengesellschaft und die des patriarchalen Geschlechterverhältnisses heben sich nicht gegenseitig auf und sind auch nicht als scheinbar voneinander unabhängige Einzelphänomene zu überwinden. Ein erster, notwendiger Schritt mag sein, den Einstieg für Frauen in Handwerksberufe angenehmer zu gestalten, ihnen überhaupt die Möglichkeit dieser Berufswahl aufzuzeigen. Letztlich muss es aber darum gehen, Verhältnisse zu schaffen, in denen niemand mehr gezwungen ist, diese Härte gegen sich und andere zu entwickeln, von der meine Gesprächspartnerinnen erzählen. Die Entscheidung, hier nur Protokolle aus Gesprächen mit Handwerkerinnen abzudrucken, ist eher dem Zufall geschuldet und soll keinesfalls den Eindruck vermitteln, Sexismus in solch krasser, verletzender Form fände sich nur in diesem Berufsfeld. Manche Gespräche kamen einfach nicht zustande: so wollte z.B. eine junge Pilotin nicht mit mir über ihre sexistisch motivierten Mobbing-Erfahrungen sprechen, weil es sie zu sehr belastet hätte. Auch das ist eine Aussage, und sie erscheint mir fast noch schwerer verdaulich als solche, die wenigstens ausgesprochen, öffentlich gemacht und somit vom scheinbar individuellen Problem zum gesellschaftlichen gemacht werden können.

  1. Danke an meine Gesprächspartnerinnen für ihre Offenheit und ihr Vertrauen! 

  2. Im Jahr 2011 haben in Deutschland 39 Zweiradmechanikerinnen, 663 KFZ-Mechatronikerinnen und 762 Tischlerinnen ihre Lehre begonnen. Der Frauenanteil der neuen Lehrlinge lag damit bei 3,3% (KFZ), 5,8% (Zweirad) und 9,3% (TischlerInnen). Dabei war der Anteil der neuen Auszubildenden mit (Fach-)Hochschulreife bei den Frauen deutlich höher als bei den Männern: so hatten 16% der KFZ-Mechatronikerinnen, 29% der Tischlerinnen und 31% der Zweiradmechanikerinnen (Fach-)Abitur, aber nur 8% der männlichen KFZ-Mechatroniker und je 10% der Zweiradmechaniker und Tischler. Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) 

  3. Eine klassisches „Argument“ von Betrieben, die keine Frauen ausbilden wollen, ist: „Wir haben keine Damentoilette.“ 

Die Autorin lebt in Leipzig und ist Redaktionsmitglied der outside the box.

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